Alexanders Vespa 125

VNB5T 08952, Baujahr 1964

Warum wird überhaupt restauriert?

Es gibt mehrere Gründe, auf den Fotos sieht sie ja gut aus, aber Fotos lügen, ich sehe auf Ihnen ja auch immer schlanker aus, als ich bin.

1. das Trittbrett auf der Motorseite weist offensichtlich 3 Risse auf, ein Querstrebenende auf dieser Seite hat sich auch schon vom Blech gelöst, also muß auch garantiert geschweißt werden
2. die Lackierung der vorhergegangenen Pseudo-Restauration wurde vom damaligen Besitzer entweder billig bezahlt beziehungsweise ganz schlecht selbst gemacht. Die Oberfläche ist teilweise wellig und gleicht einem Cellulitehintern. Absolut nicht hübsch anzusehen. Noch dazu ist sie in Allerwelts-silber und das ist die letzte Farbe nach Pink und Schokobraun, die eins meiner Fahrzeuge haben soll.
3. teilweise auch schon marode Teile wie Kabelbaum, Züge, Lager, Stoßdämpfer, usw....also komplett restaurieren!

Was und wie soll sie restauriert werden?

Ich bin absolut NICHT drauf erpicht, daß sie in irgendeinem historischen Register von irgendwelchen selbsternannten Hysterikern, ääähhh.....Historikern steht, nur damit sie besser als original ist und ich maximal 120 km im Jahr damit fahre. Sie soll den selben Zweck wie vorher erfüllen: FAHREN, FAHREN, FAHREN. Nur soll sie dabei auch besser aussehen. Trotzdem soll(t)en alle möglichen Teile original sein bzw. dem Original entsprechen.

Motorisch bin ich faul und das mit Recht. Nachdem der Motor im Jahr 2003 schon den Geist aufgab und ein anderer Block komplett von der Pike neu aufgebaut und optimiert wurde (danke hier auch an Harry Schwitz!!!!) , entschloß ich mich natürlich diesen NICHT anzutasten, da er mir in den wenigen Monaten bis zur Komplettrestaurierung auf knappen 6000 (!!!!) Kilometern treu und vor allem standfest gehalten hat, ohne zu klemmen oder sonstige Geschichten.

Erster Schritt: die 40 Jahre alte Dame an einen wenn möglich trockenen Ort bringen. Den hab ich ja zum Glück, leider unterirdisch und nur über Stiegen erreichbar, aber immerhin. Danke an Peter Haider fürs mithelfen beim runterschleppen!

Zweiter Schritt: Auf gehts mit der leichtesten Sache: das zerlegen! Damit es aber beim Zusammenbau keine bösen Überraschungen bzw. Suizidversuche gibt wurde entweder jedes Einzelteil bzw. einzelne Baugruppen mit den dazugehörigen Schrauben in einzelne Säckchen verpackt. Man sollte bei solchen Aktionen auch katalogisieren, ich habe es nicht getan, ich legs drauf an.

Dritter Schritt: Wenn der Rahmen dann mal komplett gestrippt ist, kann man wenn man will und die Substanz gut zu sein scheint, komplett abschleifen und zum Lackierer wandern. Ich jedoch, weil ich ein zweifelloser Skeptiker bin, habe sie zum Sandstrahlen gebracht. Natürlich wieder zur Firma Firnkranz in Kleinwetzdorf, der ja für seine Qualität bekannt, um nicht zu sagen sagenumwoben ist. Aja, noch was: Originallack meiner VNB war ein grauenhaftes dunkeltürkis, auch eine meiner Anti-Farben.

Vierter Schritt: In der Zwischenzeit habe ich leider eine neue Gabel vorbereiten müssen, da die originale teilweise schon abgebrochene Halterungen hatte (!!!) und ich sowieso eine in Reserve hatte. Per Hand alle Teile der Gabel inklusive Schwinge abgeschliffen, grundiert und silber lackiert. Ich mache hier gerne Schleichwerbung, viele der Leute die ich kenne und Vespas restaurier(t)en haben ins Forstinger Regal gegriffen, Eigenmarke von denen kann man wirklich empfehlen. Neue Lager bei der Revidierung der Gabel verstehen sich von selbst.

So, Mitte Dezember 2004 bekam ich sie vom Sandstrahler wieder zurück, laut seiner Auskunft hat er eher selten Vespas in dem guten Zustand gestrahlt. Okay, das hat mich ehrlich gesagt überrascht. Denn am kompletten Trittbrett bis zur Mitte der Schürze war vom „Vorrrestaurator“ millimeterdicke Pseudospachtelmasse aufgetragen worden, ich dachte bzw. befürchtete, dass darunter die schlimmsten Überraschungen warten.

Am selben Tag bin ich gleich zum Spengler/Lackierer gewandert. Mir persönlich ist es lieber, dass ALLE Arbeiten beim selben Betrieb bzw. vom selben Mann gemacht werden, denn zu viele Köche verderben den Brei. Kurze Inspektion der Teile, auch dieser Meister war eigentlich recht zufrieden mit dem Ergebnis des Sandstrahlers. Leider hat der berüchtigte „Vorrestaurator“ in der motorseitigen Seitenbacke Dellen nicht ausgerichtet sondern wieder millimeterdick gespachtelt!!!! Der Mensch hatte wahrscheinlich ein Spachtelwerk oder einen Sponsoring-Vertrag. Egal. Der Meister ging mit mir alle Schritte durch, wie er die Risse am Trittbrett beseitigt bzw. wo er neue Teilstücke einschweißen müsse. Einige zugespachtelte Dellen z.B. an der Kaskade werden so gut wie möglich ausgerichtet, ebenso die Streben der motorseitigen Backe.

In der Zwischenzeit konnte ich nun endlich die Gabel komplett fertig machen. Neue Lager von SKF, sämtliche Schrauben, Beilagscheiben und Sprengringe neu, natürlich neue Bremsen, ein neuer Stoßdämpfer (Sebac original) und eine härtere Feder von Stoffis Garage wurden verbaut. Die härtere Feder scheint gut zu wirken, alleine der Einbau brachte mich schon ins schwitzen und das einfedern scheint richtig stramm zu gehen. Kein Vergleich zu meinen Originalteilen, die auch schon am Ende waren, wen wunderts auch nach 41 Jahren?

Während dieser kleinen Ruhephase hab ich mir mein nächstes Restaurierungsobjekt, eine GTR von 1970 angeschafft, die wird aber wahrscheinlich das „Projekt Böse…gaaaanz böse!“.

Zurück zu unserem Patienten: die an meinem Roller verbauten Trittleisten waren keine Originale (waren von einer Rally) und daher erstens zu breit und zweitens zu kurz. Neue in Originalstärke und –länge sind leider teuer bzw. fast nirgends ist gute Qualität zu finden. Zur Zeit warte ich auf eine Bestellung von www.vespe.at

Fünfter Schritt: So, die Karosserie habe ich nun auch wieder bei mir in der Werkstatt, um die Zierleisten und die originalen Schlitzrohre von der Firma Super (in den 50ern und 60ern Mitbewerber von Ulma) die ich sogar noch eingewickelt im originalen Krepppapier bei unserem Oldie-Guru Robert Steininger ergattern konnte. Sicher nicht günstig, aber dafür auch nicht billig…..wer den Satz versteht. Also wirkliche eins A Qualität, außerdem aus verchromten Messing, so kann das Zeugs auch nicht rosten wie der Nachbau-Mist.

So……aber hier kam ein neuer Stolperstein und auch der Grund, warum man alles VOR dem lackieren anpassen sollte ans Tageslicht: Rechts passte das Schlitzrohr ohne jegliches Problem, links wollte es unten nicht passen. Da beide ja baugleich sind, stellte sich heraus, dass das Beinschild leider auf einer Seite um 0,5 bis 1 cm nicht parallel zu der gegenüberliegenden Seite verläuft. Auch das muß der Spengler noch erledigen, dann kommt die Gute am 31. Jänner zum Lackierer. Das passiert auch in der gleichen Firma, in der ich alles spengeln lassen habe. Das hat auch einen guten Grund: Man erspart sich im nachhinein FALLS sich der Lack aufstellen solche Sätze wie „das war nicht unser Lack, das arbeitet ja ganz anders als unsere gewohnten Produkte…“ oder „das war die Vorarbeit vom Spengler, da könn ma nix dafür…“.

Also auch der Lack wird dort angerührt und zwar mit Produkten der Herberts/Standox Palette. Es wird keine originale Farbe aber es kommt einer originalen sehr nahe und zwar ist es aus der Alfa Romeo Palette 1997 bis 2000 für den 156 und nennt sich Azzurro Achille, das ist ein hellblau, dass auch leicht ins weiß sticht…also babyblau. Es werden auch die Felgen mitlackiert, das wollte ich anfangs noch nicht, aber original ist original ;-)

Am 18. 02. 2005 holte ich das babyblaue Schätzchen dann endlich ab, sofort in die Werkstatt geschleift und begonnen mit dem zusammenzangeln. Ich konnte einfach nicht widerstehen und fing mit dem unnötigsten an…..ich nietete den Schriftzug an. Das war aber an und für sich nicht schlecht, denn da beschloß ich, die Trittleisten nicht zu vernieten, das tu ich mir jetzt nimmer an. Sie werden wahrscheinlich mit verzinkten Schrauben verschraubt, aber diese Entscheidung wird noch mal überschlafen. Der Lenkerkopf wurde wieder komplettiert, das Gepäckfach zusammengebaut, den Kabelbaum versuchte ich schon einzubauen, hat derweil nur fürs Rücklicht gereicht ;-). Dann fing ich an, die neuen Backengummis zu montieren, den hinteren Stoßdämpfer (natürlich neu!!) einzubauen und sonstige Kleinteile schon für den Einbau vorzubereiten.

Zur Lackierung sei anzumerken, dass ich zufrieden bin, die Oberfläche ist nicht spiegelglatt, glänzt trotzdem, Sprühnebel ist noch drauf, wird sowieso noch poliert, ein Haar und ein paar kleinere Staubeinschlüsse sind auch dabei…..Aber das ist nun mal so, was solls, es gibt bei weitem schlimmeres!! Mir gefällts!

Es wurde Montag, auf zum nahe liegenden Baumarkt, verzinkte Schrauben, Beilagscheiben und Hutmuttern gekauft, daheim angekommen……und angefangen fleissig die Trittleisten zu vernieten…..kein Witz, Wahnsinn! Habe dabei Blut und Wasser geschwitzt, alles allein gemacht und seltsamerweise bleib der Lack heil, bis auf einen leichten Sprung hinten im Trittbrett, weil die Endstücke sozusagen in den Lack „schneiden“, was solls. Die herausschauenden Nieten werden dann mit dem Lackstift im gleichen Farbton überpinselt.

Dauer der ganzen Aktion: 5 Stunden. Es sei dazu gesagt, dass die Trittleisten, so gut und teuer sie alle sein mögen, ihr Geld nicht wert sind, also wenn man originale hat, aufbereiten! Ich hatte leider falsche montiert, so blieb mir das nicht erspart. Die äusseren Endstücke liegen nicht flach auf und können auch nicht so montiert werden, dass sie flach aufliegen….naja, egal…

Nächstes Kapitel, Gepäckfachgummi montieren, original Piaggio Vintage Teile. Auch diese sind ihr Geld nicht wert! Steinharter Gummi, mittels Vaseline und Fön geschmeidig gemacht, die Ecken waren die Knackpunkte, ging aber. Nach eineinhalb Stunden war die Backe montiert, jedoch bleibt hinten unten im Eck Luft zwischen Backe und Rahmen…das muß ich noch korrigieren, soll aber kein Problem sein..

Ein paar Tage später passierte das unglaublichste: Meine Freundin Petra saß auf der Couch und sagte: „Mir ist soooo fad, ich muß jetzt was machen, gehen wir runter basteln!“ Aha….was war jetzt passiert? Irgendwas ist im Busch….sie will einen Klunker, eine neue Uhr, sie hat einen Lover….komischerweise trat nix ein, sie wollte einfach was tun…Na gut, dank ihr hab ich nun den Kabelbaum drin, danke Petra, Du bist die Beste!!!!!!

Darauf hab ich noch einen Reifen montiert und da passierte ja auch etwas total deprimierendes: Eine Schraube einer lackierten Felge RISS AB!!!! Ich schwöre, ich habe die Mutter nicht angeknallt! Sie riss mittig ab…war die teuerste Felge, aber eben nicht original….

Als nächstes Stand die Hochzeit zwischen Fahrgestell und Motor am Plan, danke an dieser Stelle an Peter und Michi! Allein wärs nicht mal irgendwie gegangen..

Dann hängte ich die Gabel ein….und dann der Schock: die verstärkte Feder, die mir ans Herz gelegt wurde, federte nicht……… kein Witz, Belastungsprobe wurde durchgeführt, keinen Millimeter bewegt. Erstens wär ich damit aus jeder Kurve abgeflogen, zweitens ist das nicht gerade gut für die neuen Lager…

Also wieder die ganze Gabel zerlegen…besonderer Spaß: bei der verstärkten Feder konnte ich die Gabel mit Schweiß und Blut allein zusammenbauen, bei der normalen schafften wir es dann fast nicht zu dritt…aber auch das wurde gepackt…

Dann kamen noch so Kleinigkeiten wie die Kabel vorne zum Lichtschalter führen, diesen einbauen, diverse Züge einhängen, Tank, Sattel und Gepäckbrücke montieren und nun schaut sie ja schon recht fertig aus….

Nachdem nun auch die Schaltung, der Tacho und die vordere Bremse sehr gut funktioniert, ging ich zur Elektrik……..die mir Kopfschmerzen bereitet. Denn aufgrund einer fehlenden Batterie bei der VNB kann ich nur checken, ob was funktioniert, wenn ich dauernd kicke…und das macht müde…..denn in meiner Werkstatt kann ich leider nicht anstarten, da ich ja im Keller eines Wohnhauses bin und ich dann das ganze Haus verstinken würde…

Jedoch funktioniert offensichtlich: die Schnarre, das hintere und das vordere Positionslicht und das Bremslicht, Ergo: Abblendlicht und Fernlicht will nicht funktionieren… aja, Zündfunke ist auch vorhanden. Also wird’s wohl am allerschlauesten sein, die alte Dame wieder an die frische Luft zu bringen und es bei laufendem Motor zu probieren….

Am 2. Mai, eigentlich fast auf den Tag genau 7 Monate, die geprägt waren durch Faulheit, Desinteresse, ewig lange Wartezeiten auf Ersatzteile brachten Peter, mein Vater und ich die gute wieder ans Tageslicht. Frisch angefüllt mit dem Sprit, den ich Anfang Oktober abgezapft habe, ging ich ans Werk. Choke raus, Benzinhahn auf , ein Kick…nichts, zweiter Kick…..aha, es rührt sich was…dritter Kick…sie läuft!!! Man kann sich gar nicht vorstellen, was in jemandem vorgeht, wenn nach so vielen Rückschlägen, so vielen Wutausbrüchen und Missgeschicken dann doch alles so glatt geht. Selbst die Elektrik, mein Stiefkind erwies sich als gnädig und die in meiner letzten Hektik und Schlampigkeit falsch, respektive schlecht isolierten Kabelschuhe wurden von meinem Hauselektriker Peter zuerst bekrittelt und sogleich verarztet. Leider brannte mir die hintere Standlichtsofitte durch und alle Ersatzbirnen waren kaputt (4 Stück!!), aber das ist das geringste Problem. Viel mehr zu kämpfen hatte ich mit dem originalen SIEM Scheinwerfer, das Ding wollte nicht passen, geschweige denn überhaupt auf den Lenker gehen….Grund: der Durchmesser im Gegensatz zum Bosatta Nachbau ist um 2 mm größer……ein Wahnsinnsunterschied, da ja der Lenker gespachtelt und lackiert ist…also: langsam und vorsichtig schleifen, damit das Ding passt. Spät am Abend passte das Ding zwar noch nicht ganz, ist aber wenigstens montiert…

Zur Probefahrt: Schaltet sich super, bremst wie Sau, liegt dank der neuen Stoßdämpfer natürlich besser und sieht natürlich viel besser als vorher aus…zum verlieben!

FAZIT: es war sehr lehrreich, ich würde es jederzeit wieder machen……GENAU, und deswegen zerlege ich gerade meine GTR BJ. 1970…hehe!!!

Firmenverzeichnis:

Fa. Firnkranz 3704 Kleinwetzdorf / Sandstrahlen
Fa. Tretton 1100 Wien / Spengeln und lackieren
Fa. Mario Kneringer 1030 Wien / Chrom
Fa. Clausen 1070 Wien / alle möglichen und auch unmöglichen Schrauben
Fa. Faber 1160 Wien / Diverses Vespa Zubehör
Fa. KuRa 1150 Wien / Diverses Vespa Zubehör und lustige Anekdoten
Fa. Filipo 1090 Wien / Diverses Vespa Zubehör
Fa. Stoffis Garage 4910 Ried im Innkreis / Diverses Vespa Zubehör
Fa. Vespe.at (Norbert Wallinger) 5440 Golling / Diverses Vespa Zubehör
Fa. Der Rollerladen / D 84066 Pfaffenberg / Diverses Vespa Zubehör
Fa. Merkurmarkt / Milch, Vodka und Kahlua für die vielen White Russians um den Frust runterzuspülen ;-)

Und natürlich last but not least unser Robert Steininger mit allen möglichen meist originalverpackten Originalzubehörteilen aus den 40er, 50er, 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts, was hat denn der nicht in seinem Keller bzw. in der Goldgrube ;-)

 Text und Fotos: Alexander Traiber